Das Gesundheitssystem ist zweifellos eines der kompliziertesten Dinge, mit denen sich Politik und Medien beschäftigen müssen. Eigentlich wäre das Grund genug, dass man diese Dinge nur von den Besten machen lässt. Das ist aber leider nicht so.
In der Politik scheint es entweder eine Art Strafposten oder eine Position für Leute zu sein, die brave Parteisoldaten sind und auch einmal mit einem Ministerposten belohnt werden sollen. Die Besetzung dieses Amtes erfolgte seitdem auch an vernachlässigbare Persönlichkeiten, von denen man nach ihrem Abgang auch nichts mehr hörte, die den Schwung des Postens aber teilweise für Stellen in der Industrie nutzten. In Zeiten von positiver Sprache und Gender-Speech sagt man dann auch nicht mehr korrupt, sondern Synergien nutzen…aha. Und Mediziner dürfen nicht mal mehr einen Kuli vom Vertreter annehmen. Compliance und Antikorruptionsgesetz sei Dank. Das gibt es aber auch nur für Mediziner, nicht für Politiker – wo wir nebenbei gemerkt in guter Gesellschaft mit einigen Diktaturen, immerhin vor dem Sudan, dastehen.
Aber auch bei der Presse sieht es nicht viel besser aus. Ich kenne kaum Zeitungs- oder Fernsehbeiträge, die nur annähernd frei von Fehlern sind. Entweder es sind Auftragsarbeiten, bedienen Trends oder sind eben schlicht schlecht recherchierte Berichte. Zwischen dieser Schere sind dann noch unsere Körperschaften also die kassenärztlichen- oder kassenzahnärztliche Vereinigungen und die Kammern. Auch dort findet man oft nicht die hervorragendsten Vertreter der medizinischen Berufsstände und schon gar nicht die mutigsten.
Die Politik
Meine Zeit in der Zahnmedizin begann mit Seehofer als Gesundheitsminister. Für mich ist es immer noch unverständlich, wie ein meiner Meinung nach charakterloser Opportunist letztlich Chef eines Bundeslandes werden konnte aber egal. Ich vermute mal, Bayern ist nicht wegen sondern trotz seiner Personalie erfolgreich. In seiner Zeit als Minister beginnt im Grunde der für mich registrierte Niedergang unseres Gesundheitswesens. Die Defizite in der Finanzierung des Gesundheitswesens wurden immer mehr den Ärzten aufgebürdet und Widerstand der Ärzteschaft mit Repressalien beantwortet. Somit hat sich das Umfeld so sehr verschlechtert, dass wir heute einem zunehmenden Ärztemangel entgegensteuern. Und wie wird darauf reagiert? Richtig, mit Repressalien. Ein Bürokratiemonster folgte dem Nächsten, eine Kontroll- und Überwachungsbehörde nach der anderen wurde installiert und eine Richtlinie jagt die nächste. Es erinnert mich etwas an DDR, die Dummen kontrollieren die Eliten. Mit Eliten sind mitnichten nur Ärzte gemeint, das System erstreckt sich ja auch auf Handwerk, Gastronomie etc.pp. Ein unaufhaltsamer Kontrollzwang zum „Wohle und Sicherheit“ der Patienten haben das Gesundheitswesen folglich exorbitant teuer gemacht, überdies haben die Zwänge auch nichts mehr mit freier Berufsausübung zu tun. Beispiel gefällig? Nehmen wir die Degression. Wenn ein Arzt zu viele Patienten behandelt und somit ein gewisses Punkte-Budget, muss er Geld, dass er dadurch ausgezahlt bekam, anteilig zurückzahlen. Würde ein Arbeitgeber von einem Arbeitnehmer Geld für ausbezahlte Überstunden, zurückverlangen, ihm wäre Seite eins in der „Bild“ sicher, und zwar für Wochen. Regresse sind ein weiteres Beispiel. Ein Arzt verordnet oder therapiert etwas, was dann im Nachhinein von Schreibtischtätern bei einer Prüfung als „nicht notwendig“ begutachtet wird und vom Arzt als Regress in Form von Geld zurückgefordert wird. Gerne auch mal fünfstellig. Und noch eins. Wir mussten im Zuge der Panik vor Prionen, Schweinepest und Rinderwahnsinn neue Sterilisatoren anschaffen, die ein Prionenprogramm enthalten. Problem ist, die von den Lobbyisten und Industrie durchgesetzten und gelieferten Sterilisatoren killen keine Prionen, trotz Prionenprogramm. Aber egal, einige Politiker haben dafür nun vielleicht schönere Häuser und hinterher kräht kein Hahn danach. Bezahlt haben es die Ärzte. Mit der Angst läßt sich nämlich immer gut Politik und Kasse machen. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs. Man fragt sich, wie kommt so etwas nur zustande? Politiker sind meist intellektuell und fachlich völlig überfordert und ab und an auch eher Lobbyisten zugetan – man plant ja auch für die Zeit nach der politischen Karriere – , Ärzte leisten keinen Widerstand und das Schlimmste ist, dass Entscheidungsträger für solche Fehlentscheidungen nicht haften müssen. So können auch Milliarden in eine veraltete Telematikinfrastruktur versenkt werden auf Kosten der Versicherten, ohne dass sich jemand für diesen Irrsinn rechtfertigen muss. Das Resultat ist ein massiver Abfluss von Ärzten und ein Ärztemangel, dem die Politik hilflos gegenübersteht und die vermutlich weiter mit Repressalien antworten wird. Aktuell läuft Minister Spahn legislativen Amok, entweder planlos oder um als „Macher“ dazustehen. Wie ein trotziges Kind nach dem Motto „Jetzt erst Recht!“ Auf die Idee, das Umfeld für Mediziner zu verbessern, kommen die Herrschaften nicht, statt dessen wird zunehmend einer Konzernmedizin Tür und Tor geöffnet, die das Problem lösen soll. Funktioniert zwar vermutlich nur mit einer hohen Qualitätseinbuße und auch nur in Ballungsräumen, wo die Profite stimmen aber immerhin. Letztlich zahlt der Patient die Zeche, auf dem Lande nehmen Ärzte zunehmend keine Patienten mehr an, manche müssen weite Strecken auf sich nehmen, um einen Arzt zu konsultieren. Politiker sind privat versichert und leben in Ballungsräumen, die juckts nicht. Es muss vermutlich erst Tote geben, bis die Herren aufwachen, wenn überhaupt. Schuld sind dann sowieso die Ärzte.
Die Medien
Die Medien haben sich in den vergangenen Jahren zunehmend als willige Helfer der Politik einspannen lassen. Man konnte immer wieder beobachten, dass vermutete oder tatsächliche Skandale, die meist Skandälchen waren, gerne von eifrigen Journalisten mit riesigem Tamtam aufbereitet wurden, der dann scheinbar schnell irgendwelche Gesetzesänderungen folgten. Meist war die Reihenfolge aber anders herum. Eine Gesetzesänderung benötigt am Besten einen Skandal oder zu lösendes Problem, um leichter durchgedrückt zu werden. Diesen Skandal lies man von vernetzten Helfershelfern innerhalb der Medien durch reißerische Artikel oder Beiträge flankieren. Oder hat schon einmal jemand gesehen, dass vom Erkennen eines Problems bis zur Gesetzesnovelle wenige Wochen bis Monate vergehen? Eben, ich auch nicht. Diese Verflechtung ist aber eine win-win-Situation. Die Presse hat ihren Absatz, die Politiker stehen als Macher da.
Hinzu kommt, dass Artikel gegen Ärzte zunehmend niveauloser werden. Wir haben das in diesem Blog schon beleuchtet. Dies geschieht im übrigen auch zunehmend durch die „Qualitätspresse“, welche die reißerischen Überschriften und einfachen Wahrheiten von der Boulevardjournaille übernommen hat. Ärztebashing scheint zwar nach wie vor dem guten Ruf von Ärzten in Umfragen kaum zu schaden, manch schlichter Geist nimmt es aber für Bahres, so dass leider die Gewalt an Medizinern zunimmt. Somit hat durchaus auch die Presse Schuld an gewalttätigen Übergriffen gegenüber medizinischem Personal. Die Ursachen dafür sind sicher vielfältig. Starke Verluste im Printgeschäft gerade von etablierten Magazinen, welcher nur teilweise durch das Onlinegeschäft aufgefangen werden kann, scheinen einen enormen Druck aufzubauen. Guter Nachwuchs scheint auch für die Medienhäuser schwerer zu finden zu sein und häufende Skandale durch fälschende Journalisten und Fake-News scheinen das zu bestätigen. Während die Skandale in den eigenen Reihen nachvollziehbarer Weise sehr schmallippig aufgearbeitet werden, sind andere tatsächliche oder aufgeblasene Skandale natürlich ein gefundenes Fressen. ein weiterer möglicher Faktor für die schlechte Qualität der Berichterstattung zumindest im medizinischen Bereich scheint auch hier fehlender Intellekt und/oder fachliche Expertise zu sein. Sicherlich würde sich auch kein Mediziner zutrauen, ohne externe Meinungen einzuholen, in einem fremden Fachgebiet fehlerfrei zu arbeiten. Vermutlich fehlt aber den Medienhäusern für dieses Einholen von Expertise das Zeit und Geld. So ist also die logische Konsequenz für den Journalisten, der feststellt, dass ein Patient viel Geld für einen Zahnersatz zuzahlen muss, dass der Zahnarzt abzockt und nicht, dass die Krankenkasse es nicht bezuschusst. Der persönliche Mail-Kontakt mit einigen „Fach“-Autoren oder deren Vorgesetzten zeigten auch zwei Sachen deutlich, dass nämlich das Wissen vor allem über die juristische Lage der Mediziner bestenfalls rudimentär vorhanden war und dass das Interesse an einer ausgewogenen Berichterstattung, die auch die Nöte der Mediziner gegenüberstellt, nicht vorhanden ist. Diese kamen in manchen Beiträgen nicht einmal zu Wort. Wörtlich wurde mir von einem Intendanten geschrieben: „Es war in dem Beitrag nicht die Aufgabe, die Nöte der Zahnärzte darzustellen“. Na Prost Mahlzeit, Polarisierung um jeden Preis, Hauptsache die Kasse stimmt…
Auch hier haben wir leider eine fast völlig ausgeschlossene Haftung für Falschinformationen, Fake-News und deren Folgen. Willkommen im postfaktischen Zeitalter. Da die Medien in manchen Themen quasi Richter und Henker in einer Person sind, ist sie größtenteils zu Selbstkritik und Selbstverantwortung nicht in der Lage. Es gibt ja im Grunde auch keine Notwendigkeit. Es gibt zwar einen Kodex aber naja, Papier ist geduldig. Außerdem ist er eher Richtlinie. So wird dann auch jegliche Kritik mit dem hohen Gut der Pressefreiheit abgebügelt. Zweifellos ist selbige ein schützenswertes Gut, sollte jedoch auch vor Missbrauch geschützt werden, sonst neigt man dazu, seriöse und unseriöse Journalisten in einen Topf zu werfen. Somit sollte eine Haftung und Verantwortungsübernahme von Journalisten unbedingt eingeführt werden, was ja auch in jedem anderen Beruf selbstverständlich ist.
Körperschaften
Unter dem Begriff Körperschaften sind im Grunde unsere Standesvertretungen sowie alle wichtigen und unwichtigen Organisationen gemeint, zu deren Mitgliedschaft man uns Mediziner verpflichtet hat. Dazu zählen vor allem die Kammern, also Ärzte- und Zahnärztekammern und kassenärztliche bzw. kassenzahnärztliche Vereinigung. Dem Namen nach kann man vermuten, dass diese Organisationen für die Mediziner da sind. Manche Medien sagen sogar, dies wären Lobbyistenorganisationen der Ärzte. Weit gefehlt. Sie sind staatlich verordnete Gleichschaltungsorgane mit einem Sicherstellungsauftrag und geimpft, die Sozialgesetzbücher mit aller Härte durchzudrücken. Regresse und Strafen gegenüber Ärzte werden also in aller Regel von diesen Organisationen verhängt. Zwar sieht das SGB V vor, dass die KV/KZV die die Ärzte unterstützen soll beim Wahrnehmen ihrer Rechte, die Realität ist jedoch, dass die Apparatschiks eher vor Kassen und Politik den Schwanz einziehen und sich lieber diesen andiehnen, als für etwas gerade zu stehen und zu kämpfen. Offiziell sind den Verantwortlichen „die Hände gebunden“, da nur die Vorgaben des Gesetzgebers umgesetzt werden. Warum das so ist, läßt sich leicht erahnen. Ein erfolgreicher Mediziner mit Praxis hat schlicht nicht die Zeit, sich in solchen Organisationen zu verdingen. Der muss seine Patienten behandeln und eine Praxis führen. Somit findet man dort unter den Entscheidungsträgern eher den Typ „Erfüllungsgehilfe“ denn „Conan der Barbar“ vor. Es wird kein Widerstand geleistet, es wird nur abgenickt. 30 Jahre alte Honorarverordnungen werden als angemessen bezeichnet und auch sonst hört man nach Verhandlungen mit Kassen und Politik und deren verheerenden Ergebnissen immer nur: „Man hat das Schlimmste abwenden können“. Das Schlimmste sind aber meist die Bürokraten aus den eigenen Reihen, die oft zu gerne erfolgreiche Kollegen in Scheinprozessen, die sich zum Beispiel Wirtschaftlichkeitsprüfungen nennen oder aber in Form von Regressen um den Lohn ihrer harten Arbeit betrügen. Diese Umtriebe haben es teilweise schon in die Medien geschafft, weil durch diese Art von Umfeld ländliche Regionen von Ärzten quasi entvölkert wurden. Leider werden solche Machenschaften nach wie vor zu oft und ohne Widerstand von den Ärzten und Zahnärzten toleriert.
Abschließend muss man leider sagen, dass wir Mediziner selbst die Chance haben, etwas zu verändern. Leider sind wir zu träge und oft zu feige, etwas zu tun. Wenn man sieht, was die Bahnmitarbeiter oder aber Piloten in kurzer Zeit erreicht haben, nämlich indem sie nur nicht zur Arbeit gingen. Mehr müssten wir nicht tun, fordern und zu Hause bleiben, fertig. Denn im Gegensatz zu Politikern, gewissen Journalisten und unseren Standesvertretern, bei den es nicht auffällt, wenn sie zu Hause bleiben, wäre das bei uns Medizinern anders!