Zugegeben, für Ärzte ist das Wort „Kassenfunktionär“ ein Schimpfwort und im Allgemeinen ärgert man sich daher auch nicht mehr, wenn jemand aus dieser Kaste Zufälligkeiten von sich gibt. In diesem Fall ist es allerdings so, dass es sich um den Vize des GKV-Spitzenverbands Stackelberg – Entschuldigung, Freiherr von Stackelberg – handelt. Man sollte meinen, er kennt das System und weiß um den Hintergrund, warum viele Ärzte nicht mehr als 30 Sprechstunden am Patienten arbeiten, immerhin ist er seit den frühen 80ern bei der AOK angestellt. Tatsächlich arbeiten viele Ärzte nämlich 40-60 Stunden, nur eben nicht mehr am Patienten. Bürokratiewahn, Dokumentationswahn, Hygienewahn etc. haben den ärztlichen Beruf im Grunde zu einer bürokratischen Onanie verkommen lassen. Jede Praxis hat inzwischen 3-5 Beauftragte, gegebenenfalls noch externe Beauftragte, wie den Datenschutzbeauftragten. Mein Lieblingsbeaftragter ist übrigens nach wie vor die Sachkundige für Leitern und Tritte (Leiterbeauftragte).
Eine weitere Dissonanz zwischen Wahrnehmungskompetenz des GKV-Vize und der Realität sind die Budgetierungen sowie die Regresse und Degressionen. Wenn ich als „Held der Arbeit“-Arzt also entscheide, 40 Wochenstunden am Patienten zu verbringen (worauf ja immer noch etwa 20 Stunden an Bürokratie folgen würden), dann darf ich einen Großteil der Arbeit ohne Lohn erbringen und habe noch Schutzgeld an die kranken Kassen in Form von Regressen zu zahlen. Als Zahnarzt kann es sogar passieren, dass ich in eine Degression rutsche, ich muss also sogar für erbrachte erfolgreiche Behandlungen Geld als Strafe zurückzahlen, und das wird schnell mal fünfstellig. Diese Schutzgeldmethode ist übrigens höchstrichterlich abgesegnet, oder formulieren wir es mal so, etwas Illegales, nämlich die rückwirkende Enteignung, wurde in Gesetzesform in das Sozialgesetzbuch V gegossen und somit legalisiert. Hier sieht man deutlich, wie schlecht Ärzte an der Basis organisiert sind, dass sie sich dies gefallen lassen. Man stelle sich mal in der Metallindustrie Arbeitnehmer vor, die 40-60 Stunden arbeiten, und die für Überstunden an den Arbeitgeber Strafe zahlen müssten. Die würden Ihre Firma – zu Recht – niederbrennen! Die Standesfürsten und Erfüllungsgehilfen der Mediziner in Form von KV/KZV bzw. Kammern werden allerdings finanziell und durch Richtlinien so sediert, dass sie für Widerstand nicht zu haben sind. Außerdem findet man in solchen Positionen nicht die hervorragendsten Vertreter unseres Berufes. Naja, wie auch immer, die Fronten werden sich wohl nicht mehr verändern und wenn es um die Verbesserung der Patientenversorgung geht, fällt den Kassen und der Politik im Grunde nur ein, Ärzte zu schikanieren und zu sanktionieren. Und warum? Weil sie es können! Neuerdings hat sich nämlich die Politik ein Urteil „spendiert“, was den Ärzten das Recht zu streiken aberkennt. Der „Rechtsstaat“ ist eben auch nicht mehr das, was er mal war. Ich schlage also folgendes vor, um die Forderungen des GKV-Vize in Erwägung zu ziehen:
- Wegfall von Leistungsbudgets
- Wegfall von Zeitbudgets
- Wegfall von Regressen, außer natürlich bei Missbrauch
- Wegfall der Degression
- Wegfall bezahlter Presseartikel zur Steuerung von Schikanemaßnahmen gegen Ärzte
- Einsparung durch fristlose Entfernung und Verbannung überbezahlter Erfüllungsgehilfen, wie von Stackelberg, Lauterbach, Gröhe et al.
Sollten diese Forderungen nicht erfüllt werden, wird sich der Ärztemangel eben fortsetzen. Da die relevanten Politiker aber nur in Wahlperioden und ans eigene Interesse denken, wird ohne Druck von der Ärzte-Basis, und damit meine ich schmerzenden Druck, nichts passieren. Ewig können Restriktionen und Terminservicestellen das Problem unseres beruflichen Nachwuchses auch nicht hinwegschieben. Der Beruf des Arztes muss wieder attraktiv werden, denn es ist nicht nur ein Beruf, sondern auch eine Berufung! Mit Reden und Wahlen wird sich da allerdings nichts ändern, weil die Gesundheitspolitik in allen Parteien ein Stiefkind ist. Gesundheitsminister war daher leider entweder ein Strafposten für Gefallene oder aber ein Abschiebeposten für treue Parteisoldaten, wie z.B. Gröhe. So wird aber Gesundheitspolitik, die Ärzten und vor allem Patienten etwas bringt, nicht funktionieren!
Poitiker und Kassenfunktionäre glauben immer noch (oder lassen sich von einflußreichen Kreisen dazu bringen), dass sie uns Patienten mit immer neuer Bürokratie nützen würden. Das Gegenteil ist der Fall: Bürokratie verteuert die Behandlung bzw. verkürzt die für Patienten zur Verfügung stehende Zeit.