Endlich sind mal unsere Spänglebieger dran! Nun ist es amtlich, wir haben es schwarz auf weiß. Kieferorthopäden sind Quacksalber und Murkser. Von wegen Wissenschaft, alles Unfug. Schiefe Zähne gibt’s auch gar nicht oder sind Gottes Werk, zumindest wenn man unserer lieben, objektiven, allseits gebildeten und sorgfältig arbeitenden Presse glaubt.

Manchmal ist man schier am verzweifeln, wenn man sieht, was manche Pressevertreter aus gewissen Veröffentlichungen machen. Ich bin immer davon ausgegangen, dass Journalist ein akademischer Beruf ist. Somit sollten Journalisten ansatzweise in der Lage sein, wissenschaftliche Statements lesen und beurteilen zu können. Die aktuellen Meldungen zum Thema Kieferorthopädie lassen mich mal wieder daran zweifeln. Aber okay, genug gemeckert, worum geht es? Eine Veröffentlichung kommt zum Ergebnis, dass der Nutzen von Kieferorthopädie nicht nachgewiesen ist. Soweit so gut. Die „Qualitätspresse“ der „Bild“ macht daraus ein „unnnütz“ und „Abzocke“ . Na gut, „Bild“ ist jetzt sicher kein seriöser Berichterstatter und steht nicht für alle Journalisten aber dennoch, auch andere schlagen in die Kerbe.

Im Grunde hat die vom BMG (Bundesministerium für Gesundheit) geforderte Meta-Studie vom IGES-Institut lediglich ergeben, dass die Datengrundlage derzeit nicht ausreiche, um die Frage nach dem Nutzen von kieferorthopädischen Behandlungen abschließend zu bewerten. Daraus macht die „Bild“ einen hanebüchenen Artikel, in dem es vor Abzocke nur so trieft, dass selbst das BMG zurückrudert und bestätigt, an der Notwendigkeit der Kieferorthopädie nicht zu zweifeln. Wie kann das sein, ist das nicht ein Widerspruch? Nein, denn die IGES-Studie stellt nur fest, dass eine abschließende Beurteilung nicht möglich ist, dass die Datenlage dünn ist, dass ein patientenrelevanter Nutzen, wie Schutz vor Karies, Parodontitis etc. nicht belegbar ist und dass sich lediglich die Lebensqualität sowie die Fehlstellungen nachweisbar verbessern. Naja, immerhin was. Warum nun gibt es keine Studien, die den Sinn der Kieferorthopädie nachweisen? Schlamperei? Murks? Irreführung? Vertuschung? Nein, es gibt natürlich Daten, allerdings empirische Daten und keine höchste wissenschaftliche Evidenz. Jeder Parodontologe weiß, dass an schiefen Zähnen schneller parodontale Taschen entstehen, als an geraden Zähnen. Jeder Zahnarzt weiß auch, dass an schiefen Zähnen schneller eine Karies entstehen kann, als an geraden Zähnen. Das ist deshalb so, weil man gerade Zähne besser reinigen kann, als schiefe Zähne. Diese Erkenntnis ist allerdings rein empirischer Natur, es ist ein Erfahrungswert, und keine wissenschaftliche Evidenz. Und warum? Nun, ich will es an einem einfachen Beispiel erklären. Bis heute hat der Fallschirm keine wissenschaftliche Evidenz. Die Funktion des Fallschirms ist empirisch, also durch Erfahrungswerte durchaus belegt, jedoch fehlt ihm die wissenschaftliche Evidenz. Um diese zu bekommen müsste man in einer Studie eine Kohorte von sagen wir 100 „Bild“-Journalisten in zwei Gruppen aufteilen. Eine Gruppe von 50 Menschen hat einen Fallschirm, die andere Kontrollgruppe hat keinen Fallschirm. Beide Gruppen wissen aber nicht, ob sie einen Fallschirm haben. Dies nennt man dann Doppelblindstudie. Nun lässt man beide Gruppen aus dem Flugzeug springen und schaut was passiert. Nach statistische Auswertung wird vermutlich herauskommen, dass die Menschen ohne Fallschirm alle tot sind und dass die mit Fallschirm wahrscheinlich alle überlebt haben. Der Nutzen des Fallschirms ist dann wissenschaftlich evident. Eine relativ einfache Sache eigentlich, dennoch gibt es eine solche Studie nicht. Niemand würde ernsthaft auf die Idee kommen eine Studie für den Nachweis der Effektivität von Fallschirmen zu führen oder alternativ die Kosten für Fallschirme bei Fallschirmspringern zu streichen, oder? Abgesehen davon, so eine Studie würde man auch nie genehmigt bekommen, denn jede Studie muss von einem Ethikrat genehmigt werden. Dort würde man dann vermutlich bei der Prüfung der Studie zugeben müssen, dass wenigstens die Hälfte der Studienteilnehmer selbige mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht überlebt. Und genauso wie eine Studie über Fallschirme abgelehnt werden würde, würde man auch eine Studie, welche die Evidenz der Kieferorthopädie belegt, ablehnen. Hier müsste man auch eine Kohorte von Kindern in zwei Gruppen teilen, der einen Gruppe spendiert man alle kieferorthopädischen Leistungen, der anderen Gruppe verweigert man diese. Danach begleitet man beide Gruppen sagen wir einmal 20 Jahre oder 30 Jahre durchs Leben und schaut, wie es sich mit der Karies oder der Paradontitis verhält. Eigentlich brauchen wir bloß 100 Kinder von „Bild“-Journalisten, die bei dieser Studie mitmachen. Sicher, man müsste diese Studie dann vielleicht in Nordkorea machen, um die Ethikkommission auszuhebeln, aber machbar wäre das natürlich. Jetzt stellt sich natürlich die Frage, ob diese Zusammenhänge allen Beteiligten unbekannt sind? Natürlich wissen das alle Beteiligten, aber wie immer geht es um das liebe Geld. Und wann immer man Geld sparen will muss man natürlich irgendwie glaubhaft machen, dass die zu streichenden Leistungen sinnlos, überflüssig oder schädlich sind. Also lanciert man eine Meldung, die dann von einigen Erfüllungsgehilfen von Journalisten bereitwillig missverständlich gestreut wird, sodass man eine politische Entscheidung gegebenenfalls leichter durchdrücken kann. Aber nicht mit uns! Ich hoffe natürlich auch, dass Fachgesellschaften entsprechende Statements formulieren werden, um eine Klarstellung zu erwirken. Wenn wir gerade mal beim Geldsparen sind, warum nicht mal eine Studie aufsetzen, die sich damit beschäftigt, ob man über 200 Krankenkassen braucht? Das sinnlose Überangebot an Sonderleistung, die keinem nützen, kosten auch nur sinnlos Geld. Außerdem müssen dort überflüssige Vorstände bezahlt werden, die sich aus der Resterampe der Politik generiert haben, die keiner braucht. Von diesen überflüssigen Kassen gibt es dann wieder irgendwelche Bundesverbände, die auch wieder einen Wasserkopf voll von überflüssigen Vorständen haben und so weiter. Ich verspreche euch, da könnte man Milliarden sparen.

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3 Kommentare

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  1. Stimmt und auch hier muss ich wieder auf meine Forderung zurück kommen, dass es im Grunde zwingend ist, dass auch Journalisten zur Rechenschaft gezogen werden, wenn sie Fake und Müll produzieren, wie as auch in jedem anderen Beruf üblich ist! Sie selbst fordern ja pausenlos personelle Veränderungen und Konsequenzen bei anderen, selbst sind sie dazu aber nicht in der Lage!

  2. Ganz ehrlich, ich habe laut gelacht, als vor Jahren in Amerika der Aufschrei durch die Presse ging, dass die Nutzung von Zahnseide nutzlos sei, weil die bisherige Studienlage unklar ist. Ich kürze es mal ab: Fallschirmstudie. Schmunzelnd habe ich damals die Schlagzeilen der New York Times weggeklickt und aus jetziger sicht überheblich zu mir selbst gesagt, dass das in unserem aufgeklärten Land niemals passieren wird. Tja.
    Dass unsere Landesverdummung aber so rasant voranschreitet hätte ich jetzt nicht gedacht. Gut, die deutsche Systempresse hat natürlich hart dran gearbeitet mit unseriösem Journalismus sich selbst abzusägen. Fälschen, plappern, lügen, diskreditieren – in den letzten zwei Jahren wurde alles gegeben. Der Spiegel lässt sich sogar dafür auszeichnen, amerikanische Städte mit dem Rassismusstigma zu diskreditieren. Es flog auf und – es geschah nichts. Ein Aufschrei im Land? Egal, die Masse ist schon dran gewohnt betrogen zu werden. Super Klima also mit solchen Schlagzeilen gleich mal was Nützliches auszuprobieren: Zahnspangen bringen nichts! Egal, ob das für jedermann offensichtlich falsch ist, aber vielleicht kriegen wir das so rasant durch, dass die Schmiergeldzahlungen schneller auf dem Konto eintrudeln als die evidenzbasierten Studien eintrudeln, die das Gegenteil belegen. Danach ist es vollkommen wumpe, wenn die Wahrheit raus kommt, denn dann gibt es die Urheber der Schlagzeile wahrscheinlich nicht mehr, oder man entschuldigt sich eben in einem kleinen Zweizeiler auf Seite x. Die Generation an Kinder denen dann die Lebensqualität genommen wurde, interessiert doch die Krankenkassenvorstände nicht mehr, wenn der nächste Glasbau am Rheinufer schon entstanden ist.

  3. So, so, die BLÖD hat mal wieder „berichtet“ … (wo ist der Augenrollsmiley?). Glücklicherweise sinkt die Auflage dieses Volksverdummungsblattes von Jahr zu Jahr. Sie geben vor, den „kleinen Mann“ standesgemäß informieren zu wollen und zeigen nicht nur zwischen den Zeilen klar und deutlich, dass sie vernebeln, ablenken, einschläfern, ruhigstellen, das Teilen und Herrschen sicherstellen, beeinflussen, …wollen und erfreulicherweise immer weniger können. Da lob ich mir das plurale Gegengewicht des (noch freien) Internets.